Wie erklärt man Aikido?
Die Sprache ist nur ein unzureichendes Mittel dafür ist die grundlegenden Gedanken vor und hinter dieser Kampfkunst darzustellen. Aikido lernt man/frau eben nicht aus einem Buch! Dieses kompakte System von Regeln, Gedanken, mentalen und auch sportlichen Konzepten erschließt sich erst in der Bewegung, ab der Sekunde, wo man es TUT und aufhört, darüber zu diskutieren. Die Formen der Bewegungsabläufe werden erst mit Inhalt und eigenem Erleben erfüllt, wenn man sie übt. Aikido erschließt sich jedem anders und jedes mal neu, wenn man auf die Matte kommt...
Körper und Geist
Da Aikido aus japanischen Selbstverteidigungstechniken und den Kriegskünsten der Samurai hervorgegangen ist, steht es nicht nur für bestimmte Kampftechniken, sondern auch eine Philosophie.
Das Wesen des Aikidos ist nicht (der europäischen Tradition folgend) intellektuell nachvollziebar und zu verstehen. Um die Vielschichtigkeit und Tiefe dieser Kunst bzw. Lehre zu entdecken bedarf der Achtsamkeit und der Übung.
In vielen der heutigen Kampfkünsten ist der "alte Geist des Budo" verlorengegangen. Hier stehen Wettkampf, Leistung und Technik im Vordergrund und die geistigen Aspekte dieser Kampfkünste sind unbedeutend. Aikido betont dagegen die ethischen und moralischen Aspekte - es ist vielmehr ein Weg der Persönlichkeitsentwicklung, als ein starres Kampfsportsystem. In den Worten Ueshibas: "Aiki ist keine Technik, um den Feind zu bekämpfen oder zu besiegen; es ist der Weg, die Welt zu versöhnen und aus den Menschen eine Familie zu machen."
Aikido bedeutet jedoch nicht nur das Erlernen von bestimmten Bewegungsabläufen und Techniken, sondern ebenso die Arbeit an der eigenen Person. Durch fortwährendes Training, das bis ins hohe Alter fortgesetzt werden kann, werden die Prinzipien des Aikido auch auf geistiger Ebene erfasst.
Den Alltag draußen lassen
Man kommt ins Dojo, ist müde, schlecht gelaunt, ausgelaugt und will eigentlich nur nach Hause. Über den allmählich vertraut gewordenen Bewegungen spürt man seinen Körper warm werden, weicher und nachgiebiger und kann die Dehnungen, die Anstrengung, die Atemlosigkeit, das Schwitzen und die Ruhepausen dazwischen genießen. Nach dem Training ist man zwar auf eine angenehme weise ermüdet, hat aber seltsamerweise mehr Energie als vorher - und die ganze Zeit über nicht einmal an Arbeit, Stress und die Alltagssorgen gedacht.
Die Beschäftigung mit Aikido bedeutet auch eine klare Entscheidung für ein ausgeprägtes System formaler Regeln, die ein gewisses Maß an mentaler und körperlicher Disziplin und die Akzeptanz einer klaren Rollenverteilung mit einschließen. Allein das bedeutet manchmal schon, an seine eigenen Grenzen zu stoßen. Die "demütige" Unterordnung unter solche Regeln und Rollenverteilungen ist etwas, was wir in unserem "deutschen" Alltag in dieser Form kaum noch kennen. Die diversen Rituale, die mit der Ausübung von Aikido verbunden sind, helfen aber, den Sprung aus dem Alltag heraus zu machen. Man betritt die Matte und lässt mit der anfänglichen Meditations-/Konzentrationsübung den Alltag hinter sich.
Geduld ist der Schlüssel
Man lernt nie aus. Eine eigentlich simpler Grundschritt, den man bestimmt tausend Mal gemacht hat, kann schon morgen im Training eine komplett neue Dimension bekommen. Das kann frustrierend sein, auf der anderen Seite aber auch beruhigend. Es geht immer weiter. Wer schnelle Zielerreichung im Kopf hat, für den ist Aikido wohl nichts. "Wenn Du glaubst, etwas zu sein, hast Du aufgehört, etwas zu werden..." Wenn es überhaupt so etwas wie ein Endziel im Aikido gibt, dann ist es wohl die ständige Weiterentwicklung. Prüfungen und Erfolge mögen Meilensteine sein, Anreiz und Belohnung, aber sie sind nicht das, worum es eigentlich geht, denn wie ließe sich persönliche Entwicklung messen?
Das eigene Ich
Mein Körper und ich - oder: der Spaß an der Bewegung. Der Körper lernt im Aikido auf eine recht seltsame Weise praktisch eigenständig. Rationalisieren der Bewegungen nutzt da nichts, was wohl jeder Anfänger irgendwann seufzend eingestehen wird. Man kann jemand anderem einfach nicht sprachlich erklären, wie eine Bewegung gemacht werden muss, woran es liegt, dass es funktioniert und wie man die Hand drehen muss. Aikidokas untereinander werden nie müde, stundenlang über diese Technik, jenen Wurf oder diese Kata zu reden, und unweigerlich werden sie anfangen, wild aneinander herumzubiegen. Ein Teil der Faszination entsteht wohl auch dadurch, dass über Aikido ein Zugang zum eigenen Körper geschaffen wird, der in unserer Gesellschaft nicht mehr unbedingt üblich bzw. recht schwer zu finden ist. Gerade die Kombination mit den diversen Konzentrationsübungen und der ständige Verweis auf Energien, die fließen, lässt ein Körperbewusstsein entstehen, das ein anderes sein mag als bei "Fitness" und "Body-Pump". Der sportliche Aspekt des Aikido ist untrennbar mit den anderen Konzepten des Aikido verbunden und für viele der Aikidoka wohl auch ein wichtiger Bestandteil. Koordination und Kondition aufbauen, Schnelligkeit und Genauigkeit der Bewegungen vervollkommnen, richtig ins Schwitzen geraten ... was wäre ein Training ohne das?
Das Miteinander
Miteinander und Voneinander. Was Aikido von allen anderen Sportarten und Kampfkünsten wohl unterscheidet, ist das enge Miteinader im Training. Wettbewerbe finden nicht statt. Man arbeitet mit einem "Partner", nicht mit einem "Gegner". Beide müssen ihren Teil beitragen, damit das Ganze gelingt, und dabei geht es nicht um das Besiegen einer anderen Mannschaft oder um das Erreichen einer Punktzahl, sondern um die Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten. Das bedingt, dass man auch nicht "verlieren" kann. Auch wenn man der "Aggressor" ist, wird einem nichts geschehen; was man hineingibt wird umgeleitet und zurückgegeben - und man wird eingeladen, noch mal wiederzukommen! Ein Versagen ist praktisch nicht möglich, weil man gerade aus den Fehlern des Partners am meisten über seine eigenen Bewegungen lernt. Was wichtig ist, ist die Achtsamkeit dem Partner gegenüber. Die Aufmerksamkeit während der Bewegung ist genauso bei dem Partner wie bei einem selbst, und so, wie man mit sich selbst achtsam umgehen muss, muss man dies auch mit dem Partner tun. Die Erreichung einer höheren Graduierung ist sowohl Meilenstein für einen selbst als auch Verpflichtung den anderen gegenüber. Es ist nicht nur eine nette Geste, sondern die Pflicht eines Fortgeschritteneren, sich um Anfänger zu kümmern, aufeinander acht zu geben und die Möglichkeit zum Lernen zu geben. Diese aufmerksame Einstellung mit dem Wunsch, den Partner weiter zu bringen, gibt jedem selbst die Möglichkeit, hinzuzulernen und die eigenen Kenntnisse zu verbessern.